Montag, 10. Mai 2010

Das war der Wilde Westen


"Das war der Wilde Westen" ist ein Familienepos, dessen gesamter Verlauf nicht mit actionlastigeren Western zu vergleichen ist, trotzdem bekommt man hier einige Actionszenen zu sehen, die atemberaubender auf den Zuschauer einstürzen, als es viele moderne Actionfilme jemals könnten. Wie das möglich ist? Familie und Action? "Weites Land" meets "Tombstone"?

Film
Ob man es glaubt oder nicht, aber dieser Edelwestern schafft den Spagat, als wäre es eine Aufwärmübung für den Grundschulsportunterricht.
Die Story beginnt langsam nimmt aber schon ab der ersten Szene Fahrt auf, in der die vorläufigen Hauptcharaktere vorgestellt werden: Eine Familie, die Haus und Hof im Osten des Landes aufgab, um sich in den riesigen Ebenen im Westen eine Farm aufzubauen.
Karl Malden führt die sympathische Gruppe an. Schon bald lernen sie Linus(Super: James Stewart), einen Trapper kennen, es folgt eine etwas übereilt wirkende Romanze mit Tochter Eve(Carrol Baker), die die Grundlage der folgenden Arcs bilden wird.

Der Zuschauer wird die Familie über ca. 50 Jahre von ca. 1830 bis in die 1880er Jahre begleiten. Dabei werden nahezu sämtliche Stationen der US-Westerschließung episodenhaft abgehandelt. Ein gewisses geschichtliches Vorwissen kann dabei nicht schaden, da die Zusammenhänge nur grob erläutert werden. Man bekommt eine beschwerliche Planwagenreise, eine hervorragende Bürgerkriegs-, eine Eisenbahn und eine Outlawepisode, im Stil klassischer Sheriff-jagt-Gangster-Western, zu sehen.
Betrachtet man diese einzeln, können sie in entsprechend kurzer Zeit natürlich nicht gegen einen reinen Western in diesem Stil ankommen und sehen eher blass aus. Interessant werden diese durch die Verknüpfung mit der vorherigen, bzw. späteren Episode, da es dem Film mehr darum geht das Schicksal der Familie als Ganzes abzubilden, was nunmal nur mit Abstrichen oder in Serienform ("Into the West") zu machen ist, wenn man die Story in drei Stunden unterbringen will.
Das wars schon?
Sicherlich nicht, denn der Film bietet weitaus mehr als eine passable, aber im Gesamtpaket emotional durchaus bewegende Story.
Da wäre besonders das unglaubliche Star-Ensemble, das man hier in einem Film zu sehen bekommt: James Stewart, Gregory Peck, Carrol Baker, Henry Fonda, John Wayne und mehr! Das ist für das Nostalgikerherz die reinste Pracht und macht zu jeder Sekunde Spaß. Dazu kommt ein tolles Regiegespann: Überzeugen kann hier besonders das Dream-Team Henry Ford/John Wayne in der Bürgerkriegsepisode, aber auch die Episoden der drei anderen Regisseure(u.a. Henry Hathaway) stehen dieser in nichts nach.
Die Kampfsequenzen in der Bürgerkriegsepisode sind visuell und atmosphärisch wirklich beeindruckend. Im Weiteren gibts es eine halsbrecherische Wildwasserfahrt zu sehen, die dank einer hervorragenden Kameraführung und einer dichten Spannung lange unerreicht blieb.
Mein Highlight war allerdings, die Zugfahrt der letzten Episode, die zwar auch bei "Nevada Pass" oder in späteren Actionfilmen("Alarmstufe Rot II", "Mission Impossible" uvm.) oft zu sehen war, die jedoch so packend inszeniert und durch die Cinerama-Technik so brilliant unterstützt wird, dass sie regelrecht in den Sessel presst. Dabei muss man bedenken, dass DwdwW ganze 13 Jahre älter als Nevada Pass ist und der Opa von Alarmstufe Rot sein könnte.
Dann wären da noch die umwerfenden Landschaftsaufnahmen. Mir wird regelrecht heiß ums Herz, wenn ich nur daran denke, wie die Zuschauer anno 1962 im riesigen Cinerama Kino begeistert gewesen sein müssen, schließlich war DwdwW das "Avatar" der Sechziger (natürlich nur auf optischer Ebene).

Blu-Ray
Wow, einfach nur wow. Du bist HD-Fanatiker und willst deine Freunde von dem Medium überzeugen? Ok, hier findest du das perfekte Demonstrationsmaterial. Es leuchtet fast ein, dass eine Blu-Ray bei neuen Filmen mit einem top Bild kommt, also zeig deinen Leuten kein The Dark Knight, was sowieso klasse aussieht, sondern diesen alten Schinken. Was hier an Aufarbeitung geleistet wurde ist phänomenal, zumal der Film auf zwei Blu-Rays kommt, einmal dem standard Breitbildformat angepasst und einmal im original Cinerama. Dazu bekommt man eine sehr aufschlussreiche Dokumentation über diese umständliche Technik, ihre Vorzüge und Schwierigkeiten. Wirklich empfehlenswert, auch um den "Mythos" zu verstehen, der um diesen Film entstand. Der Ton kann in Anbetracht des Alters auch absolut überzeugen, so liegt auch der deutsche Ton in DD 5.1 vor, was bei solch alten Filmen noch eher eine Ausnahme ist. Der O-Ton kommt sogar in DD True HD 5.1. Er wirkt stets satt und kräftig und fällt besonders in den actionreichen Szenen unheimlich positiv auf.

Fazit
Ich möchte besonders den Nostalgikern unter euch den Film ans Herz legen. Soviele große Stars der 50er/60er Jahre in einem Film. Mir kamen bald die Tränen, als ich sie vereint und so hervorragend miteinander harmonieren sah, immer wieder musste ich an andere Filme denken, in denen ich sie einzeln schon großartig fand. Dazu die "gute Sache" für die sie gemeinsam arbeiten wollten, schließlich sehe ich in diesem Film besonders die Intention das Medium "Kino", im Zeitalter aufkommender TV-Geräte, retten zu wollen, DwdwW sollte ein Erlebnis werden, das war es 1962 und das ist es, dank einer hervorragenden Restauration, auch heute noch.
Ich kann mich auch erinnern den Film vor einigen Jahren im dritten Fernsehen gesehen zu haben, damals war ich weniger beeindruckt, wer also die Möglichkeit hat, kann guten Gewissens zur Blu-Ray greifen. Einzig die teils etwas löchrigen Zusammenhänge der Story könnten stellenweise langweilen. Nostalgiker werden darüber allerdings auch hinweg sehen können.

Länge: 162 Min.
FSK: 12
Meine Wertung: 4/5

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